Rückkopplung

Kurze Einführung in die Ballistik

Die ballistische Wissenschaft beinhaltet das Materialverhalten unter Belastung durch die Einwirkung von Geschossen, wie Kugeln oder Splitter, mit hoher Geschwindigkeit. Damit wird eine Grundlage für die Systematik und Entwicklung von Schutzmaterialien geschaffen, worin umfangreiche Tests und Forschungsarbeiten eingeschlossen sind.

  • 1. DIN EN BR 1063 - Sicherheitssonderverglasung - Prüfverfahren und Klasseneinteilung für den Widerstand gegen Beschuß

    Die Sicherheitsnorm für Schutzverglasung, bekannt als DIN EN 1063 oder CEN 1063, wurde vom Europäischen Komitee für Standardisierung für die Prüfung der Schutzwirkung von beschußfestem Glas geschaffen.

    Die Schutzwirkung wird nach der Art der Schützenwaffe bewertet - das Bedrohungsniveau, welches das Panzerglas aushalten kann. Demnach gibt es sieben Norm-Schutzklassen, von BR1 bis BR7 (im weiteren B1 bis B7). Jede dieser Schutzklassen entspricht bestimmten Typen von Schützenwaffen. Außerdem gibt es noch zwei Schutzklassen (SG1 und SG2), die für Langwaffen (Schrotflinte mit Rehposten) gelten. Allerdings stimmen die SG-Klassen nicht mit BR-Klassen überein.

  • 2. DIN EN 1522 - Durchschusshemmende Fenster, Türen und Abschlüsse.

    Die Abkürzung "FB" wird in der Norm DIN EN 1522 beschrieben und genutzt zur Kennzeichnung von Schutzklassen für undurchsichtige (opaque) Materialien, wie Stahlpanzerung, Kevlar, Twaron, Aramid, UHMwPE (Polyäthylen mit höchstem Molekulargewicht, wie Dyneema oder Spectra), Keramikanordnungen etc.

    Die europäische Norm VPAM - (der Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen) - definiert 14 Schutzniveaus anstelle von 7 wie in den Normen EN 1522 / EN 1063.

  • 3. VPAM

    Im Jahre 1999 wurde durch die VPAM, Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen, eine ganze Reihe von Zertifizierungsstellen gegründet, mit dem Ziel der Unterstützung des Erfahrungsaustausches und der Erarbeitung einheitlicher Prüfprinzipien zur Testung von durchschusshemmenden Materialien und Konstruktionen.

    Die Beschussämter und Testzentren in Mellrichstadt, München, Ulm, Wien und in anderen europäischen Organisationen sind in Übereinstimmung mit den VPAM-Regelungen akkreditiert.

    Zu den Vorzügen der VPAM gehören die zusätzlichen Schutzklassen, welche nach der kinetischen Energie der Geschosse sortiert sind; allerdings gibt es auch eine Schwachstelle - so wird in der VPAM der Anstellwinkel des Geschosses nicht geregelt. Die VPAM fordert keine Messung des Anstellwinkels. Der Anstellwinkel ist der räumliche Neigungswinkel, unter dem das Geschoß real auf das Material auftrifft.

    Nach der Einführung der VPAM-Normen entstand viel Verwirrung vor allem dadurch, daß die verbreitetste Schutzklasse für Fahrzeuge - BR6/FB6, gemeinhin bekannt als B6 - nun als VPAM 7 bezeichnet wird, und die Schutzklasse BR7/FB7 (B7) ist nun VPAM 9. Die entsprechenden Zuordnungen der verschiedenen Normen können Sie hier sehen.

    Im Jahre 2006 wurde durch VPAM die neue Norm VPAM-APR2006 eingeführt, die 14 Schutzklassen beschreibt und als Grundlage gedacht ist für die ballistische Testung von Materialien, Konstruktionen und Objekten.

    Test level Type of weapon Weapon Calibre Ammunition and projectile Test conditions
    Type Mass [g] Manufacturer type Shot distance [m] Bullet velocity [m/s]
    1 K/L 1 22 Long Rifle L/RN 2.6 ± 0.1 Winchester 10 + 0.5 360 ± 10
    2 K 2 9 mm Luger FMJ/RN/SC, tinned 8.0 ± 0.1 DAG, DM 41 5 + 0.5 360 ± 10
    3 K 3 9 mm Luger FMJ/RN/SC, tinned 8.0 ± 0.1 DAG, DM 41 5 + 0.5 415 ± 10
    4 K 4 357 Magnum FMJ/CB/SC 10.2 ± 0.1 Geco 5 + 0.5 430 ± 10
    44 Rem. Mag. FMJ /FN/SC 15.6 ± 0.1 Speer 5 + 0.5 440 ± 10
    5 K 5 357 Magnum FMs/CB 7,1 ± 0.1 DAG special 5 + 0.5 580 ± 10
    6 L 6 7.62 x 39 FMJ/PB/FeC 8,0 ± 0,1 core 3.6 PS cold hardened 10 + 0.5 720 ± 10
    7 L 7 223 ReM. FMJ/PB/SCP 4.0 ± 0,1 MEN. SS 109 10 + 0.5 950 ± 10
    308 Win. FMJ/PB/SC 9,55 ± 0,1 MEN. DM 111 10 + 0.5 830 ± 10
    8 L 6 7.62 x 39 FMJ/PB/HCI 7.7± 0,1 Core 4,1 Hardness 65 HRC BZ 10 + 0.5 740 ± 10
    9 L 9 308 Win. FMJ/PB/HC 9.70 ± 0,2 Core 4,0 ± 0.1 Hardness 65 ± 2 HRC MEN/CBC, FNB, P 80 10 + 0.5 820 ± 10
    10 L 10 7,62 x 54 R FMJ/PB/HCI 10.4 ± 0,1 Core 5,3 Hardness 63 HRC B32 10 + 0.5 860 ± 10
    11 L 9 308 Win. FMJ/PB/WC 8.4 ± 0,1 Core 5,9 Nammo, AP 8 10 + 0.5 930 ± 10
    12 L 9 308 Win. FMJ/PB/WC 12.7 ± 0,1 Core 5,58 Hardness 1330 HV 10 SWISS P AP 10 + 0.5 810 ± 10
    13 L 13 50 Browning FMJ/PB/HC 43,0 ± 0,5 Core 35.0 Hardness 55±2 HRC SWISS P penetrator 100 930 ± 20
    14 L 14 14.5 x 114 FMJ/PB/HCI 63.4 ± 0.5 832 100 911 ± 20
    The rates of twist can be gathered from the dimension sheets (TDCC) of the C.I.P.

    Gegenwärtig gehören zur VPAM die folgenden Einrichtungen:

    • armasuisse W+T, Thun (CH)
    • ARWT Amt für Rüstung und Wehrtechnik (A)
    • Beschussamt Mellrichstadt (D)
    • Beschussamt München(D)
    • Beschussamt Ulm (D)
    • DHPol Deutsche Hochschule der Polizei, Münster (D)
    • vts Politie Nederlands, Apeldoorn (NL)
    • RMA Ecole royale militaire, Chaire Système d'arme et balistique, Brüssel, (B)
    • Höhere Technische BundesLehr- und Versuchs-Anstalt (HTBLVA) Ferlach (A)
    • PDMT Politiets data - og materielltieneste, Oslo (N)
    • TNO Defence, Security and Safety, Rijswijk (NL)
    • WFD Stadtpolizei Zürich (CH)
    • WIWeB Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Betriebsstoffe (D)
  • 4. STANAG 4569

    Die von der NATO-Standardisierung herausgegebene Norm betrifft IED (improvised explosive devices = improvisierte Sprengmittel) als auch kinetische Einwirkung (Ballistik) bis hin zur Artillerie. Hier werden verschiedene Bedrohungen definiert, die vielfältige zu vergleichende Parameter aufweisen; im Besonderen erfasst werden die "Schutzstufen für Insassen von Logistik- und leichten Panzerfahrzeugen".

    Die STANAG 4569 unterscheidet fünf Schutzniveaus:

    Level 1: Kinetische Einwirkung NATO Ball M80, 7,62 х 51 mm, aus einer Entfernung von 30 m, mit einer Geschwindigkeit von 833 m/s.
    Außerdem erfasst sind Splitter von Handgranaten, nicht explodierter Streumunition und anderen kleinen Sprengkörpern (Anti-Personenminen o.ä.), die unter dem Fahrzeug explodieren.

    Level 2: Kinetische Einwirkung 7,62 х 39 API BZ, aus einer Entfernung von 30 m, mit einer Geschwindigkeit von 695 m/s.
    Sprengeinwirkung: die Bedrohungen durch Minen und Artilleriegranaten mit 6 kg TNT-Äquivalent sind in 2 Unterniveaus eingeteilt, und zwar:
    2а - Druckwelle der Minenexplosion unter dem Rad oder der Kette;
    2b - Minenexplosion zentral unter dem Fahrzeug.

    Level 3: Kinetische Einwirkung - 7,62 х 51AP (auch mit Wolfram-Karbid-Kern), aus einer Entfernung von 30 m, mit einer Geschwindigkeit von 930 m/s.
    Sprengeinwirkung von Minen und Granaten mit 8 kg TNT-Äquvalent in den zwei Unterniveaus:
    3а - Druckwelle der Minenexplosion unter dem Rad oder der Kette;
    3b - Minenexplosion zentral unter dem Fahrzeug.

    Level 4: Kinetische Einwirkung - 14,5 х 114 mm АР/B32, aus einer Entfernung von 200 m, mit einer Geschwindigkeit von 911 m/s.
    Dazu die Detonation (Druckwelle und Splitter) einer 155 mm Artilleriegranate in einer Entfernung von 30 m.
    Sprengeinwirkung mit 10 kg TNT-Äquivalent, wieder in den 2 Unterniveaus:
    4а - Druckwelle der Minenexplosion unter dem Rad oder der Kette;
    4b - Minenexplosion zentral unter dem Fahrzeug.

    Level 5: Beschuß 25 mm APDS-T (M791 Munition) oder TLB 073 auf 500 Meter bei einer Geschwindigkeit von 1258 m/s.
    Und die Detonation (Druckwelle und Splitter) einer 155 mm Artilleriegranate in einer Entfernung von 25 m.
    Eine Sprengeinwirkung ist hier nicht definiert; es müssten 12 kg TNT-Äquivalent zur Anwendung kommen.

  • 5. Sicherheitsnorm für Beschußsicherheit UL752

    Sie wurde herausgegeben von den Underwriters Laboratories, Northbrook - IL, USA, der führenden nationalen Agentur für Zertifizierung von Sicherheitsprodukten unabhängiger Hersteller. In Wirklichkeit gehen nur wenige Unternehmen in die eigentlichen Underwriters Laboratories. Anstelle dessen wendet man sich an spezielle Prüfstellen, welche sich höchst exakt an die Norm UL752 halten.

    Im Falle, daß ein Material nach UL 752 getestet werden soll, wird dieses zuverlässig eingespannt, in 15 Fuß (ca. 4,6 m) Entfernung von der Laufmündung der Schusswaffe, welche selbst auf einem Beschussbock aufgespannt ist. Ein Stück saubere Wellpappe der Dicke 1/8 Zoll (3,2 mm) - die sogenannte Deutplatte - wird in 18 Zoll (46 cm) Entfernung hinter dem zu prüfenden Muster aufgestellt. Die Deutplatte wird nach jedem Schuss kontrolliert, um genau festzustellen, ob das Geschoss das Material durchschlagen hat oder ob vom Muster etwas abgesplittert ist.

    Die acht Schutzklassen nach UL sind in drei Gruppen unterteilt, von denen jede eine eigene Test-Vorschrift hat:

    Beschußfestes Glas, level 1 - 3

    Für die Schutzklassen 1 - 3 (Schutz gegen 9 mm Para, .357 Magnum, .44 Magnum) muß das kugelsichere Glas als Muster folgende Tests bestehen:

    o drei Schuss in einem 4-Zoll-Dreieck (10,25 cm) ohne Durchschuß und Bruch rückseitig

    o drei Schuss im Bereich von 1,25 bis 1,75 Zoll (3,2 - 4,5 mm), rückseitig Sprünge zulässig

    o ein Schuss ohne Randunterstützung, rückseitig Sprünge zulässig

    Beschußfestes Glas, level 4 - 5

    Beschussfestes Glas der levels 4 und 5 muß einen Schuss aus dem Gewehr 30-06 bzw. АК-47 entsprechend abhalten. Die Muster müssen folgende Tests bestehen:

    o ein Schuss in die Mitte

    o ein Schuss ohne Randunterstützung, rückseitig Sprünge zulässig

    Beschußfestes Glas, level 6 - 8

    Diese Schutzklassen sind für Mehrfachtreffer aus automatischen Schützenwaffen und Sturmgewehren vorgesehen, wie UZI, M16s bzw. АК-47.

    Die Muster des kugelsicheren Glases müssen folgende Tests bestehen:

    o fünf Schuss auf jeweils 4,5 Quadratzoll (29,5 Quadratzentimeter)

    Man kann voraussetzen, dass alle kugelsicheren Systeme, die aus UL-geprüften Materialien bestehen, auch insgesamt kugelsicher sind, wie auch deren Bestandteile. Dennoch muß jede Anordnung mit dem Prädikat "UL-getestet" eine unabhängige Untersuchung unter Laborbedingungen bestehen und den UL-Spezifikationen entsprechen.